Schock für das deutsche Olympia-Team: Der positive Dopingtest bei Evi Sachenbacher-Stehle hat die deutsche Sotschi-Delegation mitten in ihrer sportlichen Misere eiskalt erwischt. Sachenbacher-Stehle hat den positiven Test bestätigt und spricht von einem Albtraum.
Sotschi - Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle hat ihren positiven Dopingtest bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi bestätigt. In einem Statement schrieb sie am Freitag „vom schlimmsten Albtraum, den man sich vorstellen kann".
Nach dpa-Informationen wurde der Biathletin bei einer Doping-Kontrolle die Einnahme eines verbotenen Mittels nachgewiesen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann wollte dies zunächst nicht bestätigen, sprach aber von „einer Athletin, die keine Medaille gewonnen" habe. Ein Ärgernis ist die Causa auch für den deutschen IOC-Chef Thomas Bach, der bei seinen ersten Winterspielen als Präsident den Internationalen Olympischen Komitees ausgerechnet einen möglichen Doping-Fall eines Athleten aus seiner Heimat aufarbeiten muss.
„Es ist zuallererst ein singuläres Problem", sagte DOSB-Chef Hörmann am Freitag. „Dass wir uns dieses Thema gerne erspart hätten, alle gemeinsam, ist vollkommen klar. Ohne wäre es um Längen schöner gewesen." Die enttäuschende Medaillen-Ausbeute drückte schon vorher mächtig auf die Stimmung. Von seinem 30-Medaillen-Ziel ist das deutsche Team zwei Tage vor der Schlussfeier weit entfernt.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bestätigte zunächst nur ein von der Norm abweichendes Ergebnis der A-Probe bei einem deutschen Olympia-Teilnehmer. Eine Anhörung durch die IOC-Disziplinarkommission hat bereits stattgefunden, auch das Ergebnis der B-Probe soll nach ZDF-Angaben positiv sein. „Es soll sich um ein Nahrungsergänzungsmittel handeln, das keinerlei leistungsfördernde Wirkung hat", sagte Biathlon-Cheftrainer Uwe Müssiggang der dpa. „Wir weisen die Mädels immer wieder darauf hin, dass sie so etwas nicht nehmen sollen. Was mich so ärgert, ist die Dummheit."
IOC-Präsident Bach hatte als eine seiner ersten Amtshandlungen die Rekordzahl von 2453 Doping-Tests bei den ersten Spielen unter seiner Ägide angeordnet. In Sotschi ist es die erste positive Probe, die bekanntwurde. Es soll nach Medienberichten noch zwei weitere positive Doping-Proben geben. Eine Bestätigung dafür gab es vom IOC nicht. Das Nationale Olympische Komitee Italiens (CONI) bestätigte allerdings auf seiner Homepage, den Bobfahrer William Frullani „wegen Dopings" aus dem Olympia-Team ausgeschlossen zu haben. Bruder Josef Sachenbacher: "Sie würde niemals dopen"
Die ehemalige Ski-Langläuferin Sachenbacher-Stehle wechselte vor zwei Jahren zum Biathlon. Im Massenstart-Wettbewerb von Sotschi lief sie am Montag als Vierte knapp an einer Medaille vorbei. „Sie hat sich nichts vorzuwerfen. Sie verachtet sowas und würde niemals dopen", sagte ihr Bruder Josef Sachenbacher der „Bild"-Zeitung.
Die 33-Jährige aus Reit im Winkl war 2006 am Tag vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Turin wegen erhöhter Blutwerte mit einer fünftägigen Schutzsperre belegt worden und musste beim Auftaktrennen der Ski-Langläuferinnen zuschauen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Evi etwas gemacht hat, weil ich sie als sehr ehrliche Athletin kennengelernt habe", verteidigte sie der ehemalige Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle via Münchner „tz".
Der Deutsche Skiverband (DSV) beteuerte unterdessen, vehement gegen Doping vorzugehen. „Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir für eine Null-Toleranz-Politik stehen und entsprechend sind die Konsequenzen so zu ziehen und mitzugehen", erklärte DSV-Sprecher Stefan Schwarzbach der ARD.
Bei den Winterspielen 1972 in Sapporo war Eishockeyspieler Alois Schloder als bisher einziger Deutscher bei Winterspielen positiv getestet worden. Ihm wurde die Einnahme des Stimulanzmittels Ephedrin nachgewiesen. 2002 hatte der Blutdoping-Fall des Ski-Langläufers Johann Mühlegg bei den Spielen in Salt Lake City für einen Skandal gesorgt. Der gebürtige Deutsche startete allerdings für Spanien. Entsetzen bei den deutschen Biathleten
Die deutschen Biathleten in Sotschi reagierten entsetzt auf den positiven Test. „Ich habe es gerade auf dem Handy gelesen. Und kann es gar nicht glauben", sagte der ehemalige Sprint-Weltmeister Arnd Peiffer. Der für die abschließende Männer-Staffel am Samstag als Schlussläufer vorgesehene Simon Schempp stellte fest: „Ich habe es gerade mitgekriegt. Das ist ein extremer Schock. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
Auch Kombinations-Olympiasieger Eric Frenzel traf die schlechte Nachricht hart. „Das ist ein ganz schöner Hammer", sagte der 25-Jährige vor Bekanntwerden des Namens von Sachenbacher-Stehle der ARD. Alle seien überrascht, dass es so etwas in Deutschland geben könne, da das Doping-Kontrollsystem einfach viel zu gut sei. „Von daher hat es einem schon die Füße vom Boden gezogen", meinte Frenzel, einen Tag nach dem Silbermedaillengewinn mit dem Team der Nordischen Kombinierer.
„Wer sich so lange mit der Dopingproblematik beschäftigt wie ich, ist so leicht nicht mehr zu schockieren", meinte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. „Also ist die Nachricht weder wirklich schockierend noch überraschend." Allerdings müsse man vor einer endgültigen Bewertung das offizielle Ergebnis der B-Probe abwarten.
Skirennlauf-Star Maria Höfl-Riesch blieb am Rande des Slaloms an Freitag verständlicherweise wortkarg. „Ich habe mich nicht weiter damit beschäftigt. Das will ich an meinem letzten Olympia-Tag auch nicht müssen", meinte die dreimalige Olympiasiegerin.
Dafür meldete sich Dopingexperte Werner Franke umso lauter zum positiven Test von Sachenbacher-Stehle zu Wort. „Das ist ja ein Déjà-vu. In Turin 2006 - volle Pulle", sagte der Heidelberger Professor der Nachrichtenagentur dpa. Und: „Ich bin nur überrascht über die Dummheit, dass man sie noch so lange vor dem Wettkampf laufen lässt." Biathlon sei eine „versaute Sportart", meinte Franke. In den vergangenen Jahren seien hier Athleten wegen Dopings „ja serienweise aus dem Wege geräumt worden".
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