Die Japaner sind fasziniert von der neuen Oberstaatsanwältin der Krim. Mit ihrer Mischung aus Manga-Schönheit, Sowjet-Dominanz und Polizei-Fetisch löste Natalia Poklonskaya einen wahren Hype aus. Von Jan Vollmer
Seit Kurzem hat die Krim nicht nur eine neue Regierung, sondern auch eine neue Oberstaatsanwältin. Als der neue Staatschef, Sergej Aksjonow (ehemaliger Boxer, und bis er Regierungschef wurde, unter dem Namen "Goblin" bekannt), Natalia Poklonskaya am 11. März öffentlich vorstellte, ging die Nachricht im Westen allerdings angesichts der angespannten Lage in der Ukraine eher unter. Doch in Japan ist die 34-Jährige seitdem auf dem Weg zu einem japanischen Manga-Sex-Symbol.
Poklonskaya sitzt dabei in blau-goldener Uniform vor vier Mikrofonen, spielt nervös mit einem Kugelschreiber und sagt Dinge wie: "Die Rechte des Volkes können nicht unterdrückt werden, wie auch immer jemand gerade an die Macht gekommen ist." Sie meint damit die neue Regierung in Kiew. Bei dem Wort "Blutvergießen" klingelt ihr Handy. Der Auftritt fällt ihr schwer, sie holt mehrmals tief Luft und wirkt dabei wie eine Schauspielerin.
Ein japanischer Twitterer entdeckte das Video und postete ihre Pressekonferenz mit den Worten: "Die neue Oberstaatsanwältin der Krim oh oh oh..." Der Tweet wurde rund 10.000 mal retweetet, das Video bereits knapp eine Million mal aufgerufen. Warum gerade Poklonskaya Japan begeistert
Poklonskaya hat die japanische Anime-Szene ins Herz getroffen: Sie ist blond, hübsch, hat manga-große Augen. Sie sieht damit tatsächlich aus, als käme sie direkt aus einem japanischen Comic.
"Ich will sie beschützen, obwohl ich weiß, dass sie allein mit einer ganzen Armee fertig werden würde," schreibt ein Fan. Wobei unklar ist, ob ihre Uniform sie eher in die Ecke "Polizei-Fetisch" oder "Schulmädchen-Uniform" rückt.
Japanische Mangas legen sich da nicht so genau fest: Oft werden dort Schulmädchen in kurzen Röcken nach der Schule zu Amazonen mit magischen Schwertern und melancholischer Racheengel-Mimik. Was sie aber immer haben, sind hübsche, große Augen. "Kawaii" ist das Stichwort in der Szene, das heißt "süß". Was sie sagt, ist den Fans egal
Was genau Poklonskaya in dem Video sagt, ist der japanischen Internet- und Manga-Szene völlig egal. Als das Video populär wurde, gab es nicht mal englische Untertitel. Nur die schöne, unsichere Darstellerin Poklonskaya. Der beliebteste Ausschnitt des Videos ist auch nicht etwa einer, in dem sie etwas bedeutendes sagt, sondern einer, in dem sie besonders oft mir ihren Manga-Augen blinzelt. Für die Augenaufschlags-Fetischisten unter den Manga-Fans gibt es auch schon ein Augenaufschlagsvideo in Endlosschleife. "Warum ist sie so perfekt?", fragen einige in den Kommentaren unter dem Video. "Ich will dieser Krim-Republik so gerne beitreten," schwärmt ein anderer.
Auf der japanischen Anime-Seite pixiv.net haben begeisterte japanische Fans, sogenannte "Otakus", mittlerweile auch schon etliche selbst gezeichnete Manga-Bilder von Poklonskaya veröffentlicht: Als eine Mischung aus antiker Justitia und Sowjet-Amazone erlegt sie da mit dem Schwert des Gesetzes eine Schlange oder hält schützend ihre Hand über die Krim. Die japanischen "Otakus" haben sie zur "Waifu" gemacht. Eine "Waifu" ist so etwas wie die heimliche, virtuelle Liebe eines "Otakus".
Die Anime-Fans können die bloße Verehrung von Poklonskaya aber nicht recht von deren politischen Ambitionen trennen. Einige fragen sich zwar, warum "jemand der noch alle Tassen im Schrank hat, diese Blume mit so immensem Druck und Verantwortung belasten kann." Aber sie sind sich sicher: "Die Krim-Krise ist nur passiert, damit das Internet SIE finden konnte." "Sie ist wunderschön"
Aber grundsätzlich sympathisiert die Szene mit allem, was Poklonskaya macht: "Ich verstehe zwar nicht, was sie sagt, aber ihre ruhige Art und wie sie sich nicht von ihrem Telefon aus der Fassung bringen lässt... sie scheint die richtige Frau für diesen Job zu sein," schreibt einer. Den "Otakus" ist ihre Ahnungslosigkeit auch nicht peinlich: "Ich weiß nicht worum es überhaupt geht, aber ich unterstütze sie, sie ist wunderschön," bringt es ein anderer ganz gut auf den Punkt.
Schließlich geht es hier um eine junge Frau, die auf Umwegen in eine Machtposition gekommen ist und plötzlich tausende begeisterte Fans am anderen Ende der Welt hat - Obwohl sie wahrscheinlich noch nicht mal weiß, was ein "Otaku" ist. Für diese Fans ist Poklonskaya einfach das reine Gute, die kämpferische Tugend an sich. Und das nur, weil ihr Aussehen und ihr Habitus zufällig einem Schönheitsideal entspricht, dass eigentlich für Comic-Zeichnungen gilt.
Spannend wird es, wenn erst neben all den offiziellen Bildern in Uniform auch die privaten Bilder, die es von Poklonskaya gibt, in japanischen Internet-Foren auftauchen werden. Auf einem trägt sie da das rot schimmernde Kleid einer mittelalterlichen Königin. Auf einem anderem räkelt sie sich mit roten High-Heels auf einem braunen Chesterfield-Sofa. Auf dem nächsten ohne Schuhe auf einem roten Samtsofa. Wenn die Femme-Fatale-Bilder in Japan die Runde machen, sollte Japans Premierminister Shinzō Abe aufpassen, dass seine Bürger nicht auch ein Referendum und den Anschluss an die Russische Föderation fordern.
Foto: picture alliance / dpa
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